Monat: Oktober 2019

Alte weiße Männer (nicht von Sophie Passmann geklaut)

Heute im Wartezimmer ging eine 81jährige Frau ins Sprechzimmer, ihr 81jähriger Mann fragte, ob er mitkommen solle, sie sagte “Nein, nein, hier rede ich” und er drehte sich zu mir und sagte “Wenn man so lange verheiratet ist, muss man ein bisschen Blödsinn machen. Ich nehme an, Sie sind noch nicht verheiratet?” “Nein.” “Sie sind noch so jung, warten Sie, so lange es geht. Machen Sie erst Ihre Ausbildung, so dass sie auf eigenen Füßen stehen, wenn es sein muss, und um alles andere kann man sich später kümmern. Tut mir Leid, ich will Ihnen nicht reinreden, aber wenn man jemanden trifft, der sympathisch ist, versucht man, mitzuteilen, was einem selbst geholfen hat.”
Anschließend habe ich mich mit dem ebenfalls ergrauten Arzt über Kant, gender studies, egozentrische Ärzte und das (seiner Ansicht nach physiologisch fundierte) erhöhte Denkvermögen von Frauen gegenüber Männern (und nebenbei tatsächlich auch über Orthopädie) unterhalten.

Nicht, dass diese Unterhaltungen genderspezifische Machtverhältnisse oder Altersgefälle ausgehebelt hätten (oder aber unbedingt konform mit meiner Ansicht von Gendertheorie und Alltagssexismus waren), aber sie waren höflich, respektvoll und ziemlich witzig.
Just saying (und das versuchen so viele Frauen, die ich kenne, immer wieder deutlich zu machen): Das Problem der “alten, weißen Männer” ist strukturell, nicht individuell. Und Feminismus bedeutet nicht, Männer zu hassen, auch nicht die bestimmter demografischer Gruppen.

Alte Liebe in einem Satz

Ich könnte ja sagen, dass ich vom Dorf komme und dass dort die erste Phase der Persönlichkeitsfindung ohne Negotiation zwischen selbstreflektierter Affirmation und augenrollender Ablehnung von Die Ärzte inmitten der konservativen Erdrückung durch Tratsch, Kirchen und Jägermeisterkellen nicht möglich ist, oder dass meine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kollektivem Gedächtnis und Nostalgie einer in sich geschlossenen, aber in einen größeren Diskurs eingebetteten peer group stark abhängig ist von populärkulturellen Phänomenen, aber eigentlich bin ich einfach alt, mein Rücken tut weh, ich will den gleichen shit hören, den ich schon als Teenager gehört habe und gehe den Weg wohl allen, auch rebellischsten irdischen Fleisches, zucke im Angesicht dreier alter weißer Männer mit den Schultern, lächle und sage “Och, ist ja irgendwie echt nett, dass es die noch gibt!”

Horror

Ich wollte eigentlich morgen Es 2 sehen, aber ich bin mit dem Höcke-Interview schon bedient vom Genre.

Selbsterkenntnis

Problematisch wird es, wenn sich die Zunge als schärfer erweist als der Verstand.

Dorothy on the Streets, Blanche in the Sheets

“Wir entwickeln eine App für Menschen mit chronischem Erschöpfungssyndrom, das sagt dir wahrscheinlich nichts.”
“Doch, doch, chronic fatigue, Dorothy in Golden Girls hatte das.”
“Was ist Golden Girls?”
“Du weißt nicht, wer die Golden Girls sind, wie alt bist du denn?!”
“25, aber du bist doch auch nicht älter.”

Nicht, dass ich mich über die Unterhaltung beschweren möchte, aber wieso sollte ich Blanche für jemanden performen wollen, der keine Ahnung hat, was das heißt?

Weisheit

Ich glaube, Klempnern reflektiert das Leben als solches. Man flucht, man weint, man ist zwischendurch vorsichtig optimistisch und egal, ob etwas funktioniert oder nicht, es endet irgendwie mit Bier.

Haltung zeigen

Um nicht zwischen zwei Stühlen zu sitzen, bleibe ich manchmal gerne einfach im Bett.

Health Management

Bin gerade mit Salatkopf in der einen, Zigarette in der anderen Hand nach Hause gelatscht, soll keiner sagen, ich würde nicht ausgewogen leben.

Frau in der Küche

Jeden Tag erinnert meine Küche mich daran, dass sie in den 70ern entworfen wurde, vermutlich von einem Mann mit 1,65m großen Frauen als Zielgruppe im Kopf.

Coffee Table Book

Gerade eine Buch-Idee gehabt: “Die Kunst des unauffälligen Kotzens. Ein Bildband”. Mit Material vom Oktoberfest, von Jugendlichen auf dem Land hinter Heuballen usw.

Fun

Someone just mansplained mansplaining to me. Fun evening.

Kurz vor Hölle

Wisst ihr, wie ich mir das Fegefeuer vorstelle?
Den ganzen Tag an Bewerbungen und am Lebenslauf basteln, immer wieder und wieder, und jeden Tag verrutschen neue Zeilen und kommen Fähigkeiten dazu, aber man darf nie über eine bzw. zwei Seiten kommen. Und im Hintergrund läuft ständig Rihanna, umbrella, ella, ella, e – e – e – e – EH – EH.

Köln III

Ich bin heute ganz genau zehn Jahre mit Köln zusammen. Heute hat es mir gesagt, dass es einen Geliebten hat, aber das ist okay, ich betrüge es auch ständig mit schwulen Männern, wir bleiben trotzdem zusammen.

Köln II

Kölner in jeder anderen deutschen Stadt:
“Entschuldigen Sie, es ist ja sehr hübsch hier, aber irgendwie fehlt mir die selbstverständliche Anerkennung ranziger Ästhetik ohne selbstgefällige Hipster-Überhöhung zur Integration in einen Understatement-live-and-let-live-Lebensstil. Und überhaupt: Wo ist der gay vibe?”